15. September 2025

Alle Fotografien wurden mit der Leica Q2 Mono am 15. September 2025 in Limburg aufgenommen.

Dérive & Photography

Limburg, 2025-09-15, 1:34h, 7,69 km

Kartographien der Desorientierung

Das GPS-Gerät zeichnet 7,7 Kilometer auf, verteilt über fast zwei Stunden durch Limburg an der Lahn – eine Geschwindigkeit von knapp fünf Stundenkilometern, die bereits den ersten Hinweis auf eine andere Art des Gehens liefert. In jenen neun Prozent Stillstand, die das Gerät als “Unterbrechung” registriert, kondensiert sich das eigentliche Projekt: das bewusste Sich-Verlieren als Gegenbewegung zur instrumentellen Navigation.

Die gemessene Wanderung wird zum unfreiwilligen Protokoll einer dérive, jener psychogeographischen Praktik, die das planlose Treiben durch urbane Räume als Form der kritischen Erkundung begreift. Wo die offizielle Stadtplanung Funktionszonen und Verkehrsströme organisiert, öffnet das zielbewusste Zielloswerden alternative Raumwahrnehmungen. Das Smartphone als Verräter der eigenen Subversion – es dokumentiert präzise, was sich seiner Logik entziehen will.

Jene 52 Höhenmeter Differenz erzählen von einem Terrain, das sich den geraden Linien der Effizienz widersetzt. Das Flanieren durch Limburg wird zur Mikropolitik gegen die Beschleunigung, ein temporärer Exodus aus den Zwängen der Produktivität. In der Langsamkeit entfaltet sich eine andere Ökonomie der Aufmerksamkeit: statt Zielerreichung die Kultivierung des Umwegs, statt Orientierung die produktive Verwirrung.

Das GPS-Protokoll verrät den Widerspruch: präzise vermessen wird, was sich der Vermessung entziehen möchte. Die Technologie macht sichtbar, was als Unsichtbarwerdung gedacht war – das Verschwinden im Stadtraum als Akt der Verweigerung gegenüber seiner funktionalen Ordnung. So wird die dérive zur dokumentierten Flucht, die ihre eigene Unmöglichkeit bezeugt: authentisches Verlieren lässt sich digital nicht archivieren, der wahre Umweg hinterlässt keine Spur.