Limburg Diaries

Der Bildband “Limburg Diaries” nimmt Sie mit auf eine Reise durch Raum und Zeit. Er zeigt Limburg aus ungewöhnlichen Perspektiven, enthüllt neue Facetten des Vertrauten und lädt dazu ein, die Stadt neu zu entdecken. Tauchen Sie ein in dieses lebendige Tagebuch des Erlebten und lassen Sie sich von den flüchtigen Momenten verzaubern.

Leica Fotografie

Der Dickschieder Wildwechsel, eigenwillig verkürzt: Wo das Wanderinstitut Premiumwege zertifiziert, entsteht jene Vergesslichkeit, die das Gehen zur Denkbewegung werden lässt. Zwischen Kamera und Fieldrecorder, zwischen kanadisch anmutender Herbstpracht und Rhein-Main-Luftverkehr – Meditation über die südhessische Signatur der Waldeinsamkeit.

Limburg (Lahn) Leica Fotografie

Sonntag, 2. November 2025, Limburg an der Lahn: Eine Dérive durch die graue Stadt. Vom alten Stadthaus hinab zur Lahn, zum Klärwerk, zum Wehr am Katzenturm, durch die Altstadt zum Café Will. Die Kamera als Medium, nicht als Werkzeug. Bilder, die fotografiert werden wollen. Klänge, die empfangen werden wollen. Wu-Wei des Stadtgehens – sich verlieren, nicht verloren gehen.

Limburg Leica Fotografie

Zwei Wanderer. Oktoberdunkel. Regen. Büttner mit der Leica um den Hals, sein Begleiter mit blutenden Füßen – vierunddreißig im Gefühl, älter im Gang. Sie gehen schweigend. 26 Kilometer zwischen Weilburg und Villmar. Jeder Schritt protokolliert. Jedes Foto nummeriert. An der Abbruchkante zwischen Weinbach und Elkershausen bleiben sie stehen. Elf Minuten lang. Vor ihnen: Herbstblau über dem Becken, wolkenverhangen und leuchtend. Hinter dem Westerwald schiebt sich die Regenfront heran. Der Wind trägt das Wetter. Büttner macht vierzehn Aufnahmen. Der Begleiter schließt die Augen. In Villmar trennen sich ihre Wege. Einer zum Bahnhof, HLB 13:32 nach Limburg. Einer zum Rewe, Daumen raus, trampen. Einhundertdreiundfünfzig Bilder bleiben. Die GPS-Datei. Die Höhenmeter. Was sich nicht speichern lässt: das Gefühl, als die Schmerzen unwichtig wurden. Die Erhabenheit. Der Moment, in dem man aufhört zu zählen.

Leica Fotografie Limburg

Früher Streifzug durch Limburgs Peripherie – Schaumburger Straße und Umgebung, wo der Glanz fehlt und die Stadt ihre Arbeitskleidung trägt. Nachkriegsbauten, verwitterte Fassaden, Parkplätze statt Postkartenromantik. Hier zeigt sich das Funktionale, Abgenutzte: Discounter, Autowerkstätten, anonyme Wohnblocks. Die Dérive wird zum Abtasten urbaner Restflächen, Zonen ohne Touristenblick. Gerade in dieser Beiläufigkeit, diesem Ungeschönten, offenbart sich städtische Realität jenseits inszenierter Kulissen.

Limburg Leica Fotografie

30 Kilometer durch das Limburger Becken. Drei Fieldrecordings dokumentieren die akustische Leere einer ausgeräumten Agrarlandschaft. Zwischen GPS-gesteuerten Traktoren und letzten Feldhamsterpopulationen, zwischen Instagram-Idylle und ökologischer Realität. Eine Wanderung durch die Kulissen unserer eigenen Inszenierung. Keine Romantik, nur Daten: Dies ist ein Tatort.

Sascha Büttner FOTOGRAFIE

Sonntagsflânerie mit Aufnahmegerät: Wenn die Parkbank zum skulpturalen Fremdkörper wird, der Papierkorb zur vertikalen Interpunktion mutiert und Wegweiser ihre autoritären Gesten ins Leere schicken, offenbart sich das absurde Inventar unserer domestizierten Außenräume. Das Mikrofon registriert, was später die Kamera behauptet – diese Grammatik einer möblierten Wildnis, wo Wind die Objekte zu involuntären Klangerzeugern macht.

Sascha Büttner FOTOGRAFIE

Derive mit GPS-Vollüberwachung: 13,58 km planlose Stadtwanderung durch Limburg, während jeder Schritt zur Koordinate gerinnt. Fieldrecordings zwischen Lahnrauschen und ICE-Durchfahrt, das Warten auf den perfekten Moment bei 50.391/8.092 – als ließe sich Sound festnageln wie Schmetterlinge. Die Trackingapp dokumentiert pflichtschuldig jeden situationistischen Impuls, 462 Wegpunkte einer geplanten Planlosigkeit.

Sascha Büttner Fotografie

Das GPS vermisst 7,7km in zwei Stunden durch Limburg – 5km/h als psychogeographische Drift, die ihre technologische Selbstverräterschaft mitführt. Neun Prozent Stillstand kondensieren zur Mikropolitik des Verweilens gegen die Effizienzlogik. Authentisches Verlieren archiviert sich paradoxerweise digital, während die Stadt ihre funktionalen Ordnungen preisgeben soll.

Tagebau Hambach

Am Rand des größten Lochs Europas hat RWE eine Wellness-Oase der Weltuntergangsvoyeure geschaffen. Für vier Millionen Euro entstanden orange Metallschirme und Strandliegen, die zum entspannten Zusehen bei der Klimakatastrophe einladen – Apokalypse-Gazing als Event-Erlebnis.

Katharina Kasper Pilgerweg

Asphaltmystik: 35 Kilometer Pilgerweg durch A3-zerfurchten Westerwald, wo Infrastruktur-Gewitterfronten ihre eigene Katastrophenschönheit entwickeln. Der Katharina-Kasper-Weg zwischen Dernbach und Limburg verweigert romantische Pittoreske zugunsten einer Spiritualität des Funktionalen – stundenlang Asphalt und Schotter als Materialästhetik der Pragmatik. Hier öffnet sich das Hinterland des Bewusstseins fernab spektakulärer Kulissen, in der stillen Arithmetik des Gehens, die aus bloßer Fortbewegung Transzendenz destilliert.

Ein ganzer Tag

Ein Haus zu groß für einen, zu klein für Gedanken. Tagsüber kultivierter Bürger, nachts Straßenstreuner mit Leica. Das Dao der Fotografie verlangt Hingabe, nicht Perfektion. Die Tiānwèn Akademie – Widerstand gegen den weißen Kubus. Im Zwielicht der Bars verschwimmen Grenzen wie auf meinen Bildern. Nicht Person, sondern Prozess. Nicht Fotograf, sondern Medium für das Sehen selbst.

Limburg Nord-Süde - 45 KM

Der Limburg-Marathon: 45 Kilometer purer Wanderherausforderung. Die Route führt vom Schafsberg über Elz und Offheim zur Lubentiuskirche in Dietkirchen – hier ist erst die Hälfte geschafft. Weiter geht’s auf der Route Limburg Süd, vorbei am idyllischen Sauerborn (mit A3-Soundkulisse) und über den anspruchsvollen Anstieg zum Mensfelder Kopf. Die Strecke verbindet verborgene Naturschönheiten mit kulturellen Highlights und fordert Körper wie Geist gleichermaßen. Elf Stunden intensive Landschaftserfahrung für Wanderbegeisterte, die das Besondere suchen. Der Lohn: unbezahlbare Ausblicke, persönliche Grenzerfahrung und die tiefe Zufriedenheit, eine echte Herausforderung gemeistert zu haben.

Limburg Süd

Kulturlandschaft im Überfluss

Am 1. Mai 2025 beginne ich allein und voller Freude meine Wanderung auf der Limburg Südroute. Während der Morgen dämmert und die Natur zum Leben erwacht, reflektiere ich über meine Beweggründe. Ist es der Wunsch nach Freiheit oder die Flucht vor dem Alltag? Schritte werden leichter, die Farben intensiver. Der Weg lehrt mich nicht nur über die Natur, sondern auch über mich selbst. Ein Erlebnis voller Erkenntnisse und innerer Ruhe.

Bahnhof Laurenburg

Die Wanderung von Laurenburg nach Limburg führt über die Schaumburg, Holzheim und den Mensfelder Kopf. Frühmorgens gestartet, bietet der Weg eindrucksvolle Ausblicke auf das Limburger Becken, Felder und abwechslungsreiche Landschaften. Ein Erlebnis für Naturfreunde.

Das Museum Reinhard Ernst

Ein Besuch im Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden entpuppt sich als ambivalente Erfahrung: Während die Kunstwerke das Herz erfreuen, wirkt die sterile Atmosphäre des modernen Gebäudes wie ein Sarkophag, der das Staunen in eine Huldigung des Reichtums verwandelt. Ein kritischer Blick auf die Rolle von Museen und die Frage, ob Kunst wirklich allen gehört, begleitet den Besucher durch die imposanten, aber leblosen Hallen.

Der Verlust der kleinen Dinge

Unser Alltag ist hektisch, ruhelos und abgestumpft. Kleine Wunder entgleiten uns. Likes zählen mehr als echte Momente. Eigenständigkeit? Kaum. Wir tragen Masken, spielen Rollen und verlieren uns selbst. Ruhe und Zärtlichkeit bleiben auf der Strecke.

Aufs Schlimmste zu

Ich schreibe und fotografiere, um mich selbst zu verändern und nicht gleich zu bleiben. Mein Tun ist ein Weg zur Stille und ich teile mich mit. Fotografieren geschieht spontan als Reaktion auf meine Umwelt, ohne spezifische Absicht oder Erklärung, oft spiegelt es meine stimmungsabhängigen Erlebnisse wider.

In einer frostigen Nacht

In der klirrend kalten Nacht, umhüllt von seinem Schlafsack, funkeln die Sterne wie verstreute Diamanten. Die Kälte umschlingt ihn, während der Mond sanft auf das schneebedeckte Gras scheint. Eingehüllt in Ruhe, lauscht er dem Flüstern der Natur. Seine Gedanken gleiten, Erinnerungen flattern wie Vögel im Zwielicht. Kalt, ja, aber die Seele brennt. In der frostigen Umarmung der Nacht wird er eins mit der Natur, ein Teil der unendlichen Geschichten, die die Sterne erzählen.

Beobachtungen

„Ich erleuchte mich / durch Unermeßliches“ – so lautet die deutsche Übertragung eines Gedichts des italienischen Dichters Giuseppe Ungaretti, meisterhaft ins Deutsche gebracht von Ingeborg Bachmann. Dieses Gedicht besitzt eine außergewöhnliche Strahlkraft, eine inspirierende Energie, die mir täglich neue Motivation schenkt. Ich erleuchte mich, nicht, ich werde erleuchtet. Unermeßliches, nicht der Unermeßliche. Ein Gedicht, das mich als Gestalter feiert. Ein Gedicht, das mir in Erinnerung ruft, dass ich mit allem verbunden bin. Seit vielen Jahren gehe ich ein bis zweimal im Jahr in die Stille, oft nur begleitet von Gedichten. In diesem Jahr war es dasjenige von Ungaretti, welches mich zutiefst berührte.

Sascha Büttner

Sascha Büttner, ein Meister des urbanen Flanierens, fängt mit seiner Leica die flüchtigen Momente des Stadtlebens ein und verbindet dabei die Kunst der Fotografie mit den philosophischen Prinzipien des Taoismus. Seine Bilder, inspiriert von der japanischen Fotografie der 70er Jahre, reflektieren die vergängliche Natur des Lebens und laden uns ein, die Ordnung im Chaos zu entdecken.

König Konrad

Die winterliche Wanderung von Runkel nach Villmar und zurück enthüllt den morbiden Charme der Lahn-Landschaft und beeindruckt mit historischen Höhepunkten wie dem Unica-Marmorsteinbruch und dem Denkmal für König Konrad. Ein besonderes Highlight: Der König mit Krone in der Hand, die ihm alle Nase lang entwendet wird, bevor der Blick auf die Burg Runkel und die alte Lahnbrücke den Wanderer verabschiedet.